2014 – Ein ruhiges Jahr geht zu Ende

2014 war gefühlt ein irgendwie ruhiges Jahr für mich, trotzdem es eine Menge Arbeit zu erledigen gab und auch sonst einiges passierte.

Ich habe viel gelesen, gehört und gesehen in diesem Jahr der „Digitalen Agenda“, des NSA-Untersuchungsausschuss und vieler weiterer kleinerer und größerer politischer Beschäftigungen mit dem digitalen Wandel und der Frage, was welche Effekte zeitigt. Ich sehe, wie sich Politik abmüht, zu begreifen und zu schlussfolgern, wie die Spezifika des Netzes und der Digitalisierung einiges ihres gelernten, althergebrachten Wissens – auch bekannt als Glauben – in Frage stellt. Spionage durch die USA im BND? Kaum wirklich vorstellbar – vor 2014. Was ist Krieg mit digitalen Komponenten, wo beginnt er? Wie viel ist vom ‚geregelten‘, ‚verrechtlichten‘ Krieg des 20. Jahrhunderts noch übrig, der nie wirklich so existierte und in dem nun ohne Kriegserklärung aus Kommunikationsmetadaten gewonnene Schlüsse Hellfireraketen veranlassen? Was sind am Ende digitale Beweise, wenn jedes Beweisstück selbst Kopie wie Original sein kann – außer möglichst komplexer Plausibilitäten, die ihrerseits selbst oft nur digital sind? Wer erhält in Zeiten der digitalen Repräsentation der Realitäten welche Information und unter welchen Voraussetzungen und welche Sanktionsmöglichkeiten bestehen, wenn diese nicht eingehalten werden? Und: wie kann es sein, dass in meinem Umfeld die Grundannahme des Volkszählungsurteils bereits Realität geworden ist und keine wirklichen Konsequenzen daraus entstehen?

Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wären eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß. Wer unsicher ist, ob abweichende Verhaltensweisen jederzeit notiert und als Information dauerhaft gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden, wird versuchen, nicht durch solche Verhaltensweisen aufzufallen.

Eines der interessantesten Komplimente machte mir jemand kurz vor dem Jahresende, der beruflich die digitalen Herausforderungen bearbeitet: er sagte mir, ich sei „so anspruchsvoll“, was die Digitalpolitik angehe. Ein anderer, ungleich prominenterer Vertreter der Digitalpolitik, bezeichnete mich als seinen „größten Kritiker“. Und ich war erstaunt. Denn ja, ich habe hohe Ansprüche, an Kanzlerinnen, Minister und Ministeriale, an Wirtschaft und an die Gesellschaft. Die Debatten, die in vielen der Bereiche geführt werden, sind nach wie vor auf einem fachlich erbärmlichen Niveau, die Schlussfolgerungen, die sich der eine oder andere Handelnde zu ziehen erlaubt, sind höchstens traurig zu nennen. Ob Right to be Forgotten-Diskussion, Überwachung, IT-Sicherheit, Urheberrechtsreform, Netzneutralität oder, oder, oder..  Da geht noch einiges. Ich zitiere die in der Analyse vollkommen richtig liegende Angela Merkel:

Dass wir das Problem schildern können, […] also ich mein, ist ja Erkenntnisfortschritt Nummer eins. Aber ich vermisse, dass wir dann – …wir kommen nicht zu… wir müssen das jetzt dann entscheiden.“

Vielleicht zieht sie ja 2015 selbst Konsequenzen? Sie selbst wird in dem Thema immer präsenter, was auch ein Zeichen der Unzufriedenheit mit ihrer Mannschaft in dem Bereich sein könnte.

Und ich habe zu vielen weiteren Themen arbeiten können, oft eher punktuell, viele, die Berührungspunkte mit meinen Kernthemen haben. Wieder Drohnen, auch sonstiges Militärgerät, etwas Außenpolitik, selbst Ebola und die Europawahl beschäftigten mich, ein bisschen klassischere Innenpolitik et cetera. Nicht immer aber doch oft mit digitalen Seitenaspekten (von „Social Media-Propaganda“ über „Cyberterror“) und Querschnitten („Das Digitale“ ist ja kein eigenständiges, losgelöstes Politikfeld). Das alles macht viel Freude, so lange man dabei weiß, wo die eigenen Grenzen liegen, wenn man Themen wie IS, den Ukrainekonflikt, die großrussische Seelenlage und die Ansprüche und Ängste der östlichen Nachbarn eben stets nur mit eineinhalb interessierten Augen mitverfolgt, da der eigene Fokus eigentlich ja woanders liegt.

Nun ist Journalismus nicht zuletzt eine Mischung aus Wissen (nützlich) und Handwerk (nützlicher). Und tagesaktueller Journalismus ist, sich in unübersichtlichen Gemengelagen auf dem Hintergrund des eigenen Wissens und dem anzapfbaren solchen brillianter Kolleginnen und Kollegen zurechtzufinden, Widersprüche zwischen Worten und Taten der Akteure und der Realität aufzuzeigen, sie zu bennenen und dort, wo möglich, auch Schlussfolgerungen anzubieten.

Ein sehr schönes und buntes Jahr, eines, in dem ich viel gelernt habe, nicht zuletzt Geduld, Gelassenheit und Prioritäten. 2015 darf gerne ähnlich werden, und ich bin zuversichtlich, dass es überaus abwechslungsreich sein wird… Auch menschlich darf es sich gern an 2014 orientieren.