Bericht aus Berlin: Was soll das?

Gestern Abend, ich schaue den „Bericht aus Berlin“ der Kollegen von der ARD im Ersten. Drei Auszüge aus Interviews, aus Bundestagsreden. Uhl. De Maizière. Strobl. Zu Flüchtlingen, zu Grundgesetztreue. Uhl redet von „illegalen Ausländern“, deren Zuwanderung verhindert werden müsse. Thomas de Maizière fordert „eine Ankommenskultur“, wer komme müsse die hiesige Rechtsordnung anerkennen. „Wer keinen Schutz auf Asyl hat“, so Thomas Strobl in verquerem Deutsch, „und dennoch in Deutschland einen Asylantrag stellt, der muss gehen und er muss rasch gehen in seine Heimat.“

Und dann steht da Rainald Becker, ARD-Chefredakteur in spe, zu Beginn der Sendung, und sagt:

Drei Stimmen, drei Politiker von CDU und CSU. Der Druck auf Kanzlerin Merkel in der Flüchtlingspolitik wächst und auch die Stimmung im Land ändert sich, wie der jüngste Deutschlandtrend der ARD belegt. Damit herzlich willkommen zum Bericht aus Berlin.

Eine Minute seit Beginn der Sendung. Kamerawechsel, von der Nahaufnahme auf die Studio-Totale. Rainald Becker steht hinter seinem Moderationstischchen, im Hintergrund ein Bild vom Reichstag, die übliche Westportalansicht („dem deutschen Volke“). Die Kuppel ist dreifach da und mit orientalisch anmutenden Zierdingen verschönert, Minarette erheben sich auf dem Dach des Gebäudes. Ein schwarz-rot-goldener Muskelmannarm ragt von rechts ins Bild.

Bericht aus Berlin (1)
Bericht aus Berlin (1)

Mit ihrem Satz ‚wir schaffen das‘ hat die Kanzlerin die Messlatte hochgelegt. Für sich selbst und für das ganze Land. Schaffen wir das wirklich – oder sind wir überfordert? Diese Frage wird inzwischen heiß diskutiert, und wenn wir es schaffen, was geschieht mit unseren Werten?

Die Kamera fährt während dieser Sätze immer näher an Becker.

Wie verändert sich das Leben, ja, wie reagieren wir..

Auf dem großen Bildschirm hinter Becker taucht eine in den Tschador verhüllte Angela Merkel vor dem Minarettbundestag auf – auch eine Bildmontage.

Bericht aus Berlin (2)
Bericht aus Berlin (2)

..wenn Flüchtlinge Probleme haben – mit der Gleichstellung, mit Frauenrechten, mit Presse- und Meinungsfreiheit. Alles Fragen, auf die es noch keine Antworten gibt, und die deshalb Ängste schüren.

Danach wird der Name des Autoren des nachfolgenden Beitrags genannt, Michael Stempfle.

Er berichtet zuerst, dass es in Deutschland bestimmte Rechte gebe, von Bundespräsident Gauck, der die Geltung des Rechts in allen Belangen betont. Dann von Gewalt in Flüchtlingsheimen, Gewalt zwischen Flüchtlingen, auch von Vergewaltigungen. Das „verunsichere“. Dann: Reportage aus einem hessischen Flüchtlingsheim – beziehungsweise: davor. Denn rein lässt man das Kamerateam nicht. Stattdessen: Straßengespräch mit einem „muslimischen Seelsorger, der viele Flüchtlinge kennt“. Der berichtet von religiösen Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten. Er sagt in die Kamera:

Manchmal hat man den Eindruck, das könnte zur Explosion führen.

Nun ein paar Flüchtlings-O-Töne. Deutschland sei eine freie Gesellschaft, sagt ein Iraker, bezogen auf die Gleichberechtigung von Mann und Frau, damit habe er kein Problem. Aus dem Off textet Stempfle über den Beitrag:

Diese jungen Männer scheinen bereit, deutsche Werte zu respektieren, und doch…

Nein, es folgt kein Zitat eines Flüchtlings, sondern der Seelsorger darf wieder ran. Er wird vom Sprecher paraphrasiert, dass Imame Zugang zu Flüchtlingsunterkünften bekommen sollten, nur so könne man Probleme wie in den vergangenen Tagen verhindern, sagt genau das selbe danach auch noch einmal selbst. Und dann geht es weiter mit aus unterschiedlichen Gründen besorgten Politikern, die einen der Einwanderer, die anderen des angenommenen Populismus wegen.

Was aber hat all das mit Minaretten auf dem Bundestag und der Bildsprache zur Anmoderation des Rainald Becker zu tun?

Heute erklärten es die Macher des BaB auf Facebook so:

…bedauern sehr, dass einige mit unserer Darstellung der Bundeskanzlerin nicht einverstanden waren oder sie gar missverstanden haben.

Die Grafik stand in direktem Zusammenhang mit der Moderation von Rainald Becker zu einem Bericht, in dem es um die Werte unserer Gesellschaft ging. Er sprach von den Errungenschaften unserer westlichen Gesellschaft: Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Gleichstellung. Diese Freiheiten spiegeln sich in Form dieser Grafik wider. Natürlich war es auch das Ziel, mit dieser Grafik Aufmerksamkeit zu schaffen und zu polarisieren. Wir halten jedoch auf Grund unseres journalistischen Selbstverständnisses diese zugespitze Darstellungsform für legitim. Jegliche Unterstellung, wir würden islamfeindliche Propaganda betreiben, weisen wir entschieden zurück.

Nicht einverstanden? Missverstanden? Aufmerksamkeit durch „zugespitz[t]e Darstellungsform“? Die Grafik ist eine offensichtliche Anleihe bei der „Anti-Minarett-Kampagne“ der Schweizerischen Volkspartei 2009.

Aber was hat die Adaption einer durchaus als unsachlich-hetzerisch zu bezeichnenden Kampagne (die Zahl der Minarette in der Schweiz im Jahr 2009 betrug: 4, in Worten: vier) in einem Bericht aus Berlin zu suchen?

Was ist die Aussage von Merkel im Tschador? Dass sich Salafisten von einer Frau im Tschador eher weltlich regieren lassen würden? Dass Merkel mit ihrer Politik Jabhat-al-Nusra oder dem IS(IS) nahestehen würde? Was hat das mit Mehrheits- und Minderheitenrechten zu tun?

Was symbolisieren die Minarette auf dem Reichstag? (Vorschlag für die nächstblödeste Ausrede der Welt: Den Einzug von Kleinstparteien, die alle Fraktionssäle in Minarettform bekommen, weil die Ecktürme schon weg sind)

„Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Gleichstellung“ sollten diese beiden Grafiken symbolisieren, schreiben die BaB’ler. Nur wo sich das darin gefunden haben soll, ist das Geheimnis der Macher geblieben – schleierhaft, könnte man sagen. Oder auch: solche Fehlgriffe werden auch dann nicht besser, wenn man für ihre bemühte Rechtfertigung mit den Werten des Grundgesetzes wedelt.

13 thoughts on “Bericht aus Berlin: Was soll das?

Comments are closed.

  1. Am Sonntag noch wütend über #BerichtausBerlin. Jetzt beim Nachlesen noch einmal das ganze Ausmaß der Oberflächlichkeit bewusst geworden.
    Jeder Oberstufenkurs in Politik kann diese Bildersprache als billige Angstmache dechiffrieren. Dieser Bericht aus Berlin ist ein Schlag ins Gesicht für all jene, die beim Thema „Flüchtlinge und Integration“ politisch bildend tätig sind.

    1. Was ist das denn: Thema „Flüchtlinge und Integration“ politisch bildend tätig sind. Das ist aber sehr daneben gegriffen, Flüchtlinge und Integration gehen nicht immer denselben weg. Wobei ich den Asyl suchenden dann schon unter die Arme greifen möchte. Es ist auch nicht zwingend notwendig bei einem Menschen der sein Leben und das der Familie Retten will, es von der Ausbildung oder der wirtschaftlichen Verwertbarkeit abhängig zu machen. Die Bundeskanzlerin in der Burka da zu stellen finde ich erst mal nicht verwerflich, denn wer der Meinung ist das der Islam zu Deutschland gehört, kann auch die dementsprechende Kleidung Tragen. Da finde ich die Spät konvertierten schon scheinheiliger. [Hier standen noch zwei Sätze die Menschen auf körperliches Aussehen reduzierten, gestrichen. Schreiben Sie sowas im eigenen Vorgarten, nicht in meinem. fs]

  2. „Diese Freiheiten spiegeln sich in Form dieser Grafik wider. Natürlich war es auch das Ziel, mit dieser Grafik Aufmerksamkeit zu schaffen und zu polarisieren.“

    Da wäre doch eine passende Antwort, Becker mit Hitlerbärtchen und brauner Uniform (die Anzugfarbe passt ja beinahe) zu montieren, neben eine Tina Hassel als Eva Braun, dazu Kai Gniffke als Lutz Bachmann und Sabine Rau als Beatrix von Storch… so als Wiederspiegelung der Freiheiten, als Polarisation für Aufmerksamkeit. Als Debattenbeitrag.

    Ob die Tagesschau-Redaktion das dann noch genauso sähe? Ich hab da eine gewisse Vermutung…

    1. Rechtsaußen-Demagoge, gehts vielleicht auch eine Nummer kleiner? Sie könnten auch einfach sagen, dass Sie mit seiner journalistischen Leistung nicht zufrieden sind. Denn das war bei der Breivik-Berichterstattung das Problem: wilder Spekulatius.

    2. Jaaa- sischer, sischer… das ist genauuuu der O-Ton den unsere alliieerten Freunde uns seit 70 Jahren in dem Programm „Frankfurter Schule“ verordnet haben. Wenn Irgendjemand die Zustände in knapp 40 Jahren prophezeit, dann kommt er/sie SOFORT in die braune Ecke und wird Mundtod gemacht. Das das hier in unserer „schönen“ BRD zur Routine gehört, müsste jeden Dümmsten unter uns klar sein. Allein die Begriffe „Preussen, Hindenburg, Mackensen, Tannenberg, deutsche Tugenden, usw.“ sind höchst gefährlich. Jeder und zwar jeder Journalist wird bei Beginn seiner Arbeit so doktriert, dass allein schon Anfänge dieser Verbotswörter schon genügen um linke Hetzparolen abzuspulen. Ja, sischer, sischer …. alles wird gut, wenn das Geld alle ist – wat soll’s – wird neues gedruckt. Diese Kurzsichtigkeit haben heut zutage die Mehrheit – und das ist das gefährliche. In Duisburg/Essen rufen schon die Imane, wann rufen sie in Berlin, Hamburg, Kassel, Frankfurt, München. Es schleicht sich durch die BRD – langsam, gaaaanz langsam und wer nicht aufpasst, der wird niedergewalzt, ohne das er/sie es merkt. Dann heißt es eines morgens konvertiere oder stirb. So wie es Muhammed 665 n. Chr. mit einen überfallenen Dorf gemacht hat. Aber dann, meine Lieben, ist es mit dem Wundern zu spät und ich denke – auch mit dem Koffer packen… Letzte Anmerkung zum Grütze einschalten: Was machen wir, wenn die 100.000 Hindus auf die Strasse gehen und uns unser Steak verbieten wollen? Schön blamiert werden dann unsere „Heile-Welt-Kinder“ aus ihrer Wäschen gucken. So long und weiterhin viel Spass im Islam des 23. Jhrtsd.

      1. Ich habe Ihren Kommentar mal freigeschaltet, auch wenn ich ihn inhaltlich für groben Unfug halte. Fürchten Sie mal um Ihr Steak im „23. Jahrtausend“. Da bin ich wahrscheinlich schon weg.

      2. Muhammad ist 632 gestorben. Er kann also 665 kein Dorf überfallen haben. Muss man aber als Islamexperte natürlich nicht wissen.

  3. Unfassbar! Als Nichtfernseher, der seine Informationen aus der seriösen Presse bezieht, muss ich diese unsägliche Berichtertattung mit meinem Zwangsbeitrag auch noch finan-zieren.
    Insgeheim hoffend, dass diese Angelegenheit Konsequenzen nach sich ziehen wird
    G.W.

    1. Mit ihrem „Zwangsbeitrag“ finanzieren Sie übrigens auch meine Arbeit (das Blog hier natürlich nicht). Insofern: das wäre etwas kurz gegriffen.

      1. Ehrlich gesagt, hatte ich auch den Gedanken mit dem „Zwangsbeitrag“ wie Dr. Gerhard Wießner. Andererseits sorgt dieser Ard-#bab Fehlgriff immerhin für Diskussionen, beispielsweise auf diesem blog. Die Debatte über diese Berichterstattung eignet sich übrigens auch gut in Politische-Bildung-Kontexten, auch was die Analyse von Blogkommentaren angeht.

  4. Am besten finde ich ja die im Zusammenhang mit dieser peinlichen Sendung oft zu lesende Replik „Satire darf alles“, mit entsprechender Anzahl überflüssiger Ausrufezeichen.
    Ja, natürlich darf sie.
    Aber das der „Bericht aus Berlin“ eine Satiresendung sei, oder dies in einer satirischen Glosse eingebettet war, wäre mir neu. Man kann nicht einfach Mist als Satire deklarieren und schon ist alles gut.
    Ein Foto in einer rein journalistischen Sendung, das AFD/Pegida als willlkommene Kopiervorlage für das nächste Plakat dienen wird, ist und wird niemals Satire sein. Ebenso könnte Judith Rakers in der Tagesschau nicht Obama als Neger bezeichnen indem sie Airquotes verwendet, und sich dann auf Satire berufen.