Wiederholung: Der Pixibuchfriedenspreisträger

Aus einem Grund, den ich nicht kenne, dem ich aber auch gar nicht erst nachgeforscht habe, ist dieser Kommentar von mir vom 05.06.2014 nicht mehr bei DLF/DKultur online. Macht aber nix, denn für die Dauerhaftigkeit gibt es jenseits der öffentlich-rechtlichen Depublikationswelt ja auch noch Platz im Internet.

Daher der Hinweis: Sie lesen nun eine Wiederholung vom 05.06.2014, als bekannt wurde, dass Jaron Lanier den „Friedenspreis des deutschen Buchhandels“ erhält. Man bat mich um einen Kommentar. Aufgrund diverser Hörer- und Leserbriefe der vergangenen Monate vorab zur Erläuterung: das Genre Kommentar enthält Meinung und unterscheidet sich damit vom Bericht.

Kommentar: Der Pixibuchfriedenspreisträger

Es ist eine erstaunliche und enttäuschende Wahl, die die Jury des Börsenvereins des deutschen Buchhandels getroffen hat, als sie Jaron Lanier zum Friedenspreisträger erkor. Zum Jahrestag der Snowden-Enthüllungen hätte es viele gegeben, die in der Debatte um den Umgang mit dem digitalen Wandel den Friedenspreis verdient hätten. Man denke an brilliante Autoren wie Daniel Suarez, dessen düstere Szenarien zwischen einem realistischen heute und einem oft nur all zu nah wirkenden Morgen mäandern, voller Drohnen und sogenannter künstlicher Intelligenz. Man denke an intellektuell herausfordernde Geister wie Evgeny Morozov, die Gedanken zur Realität des Digitalen Aspekts einer prädigital geprägten Welt publizieren. Doch die Jury entschied sich für einen Krawallmacher, einen Schreihals, dessen größte Leistung in der Popularisierung des Begriffes Virtuelle Realität steckt – und damit der Irreführung der potenziellen Getrenntheit der Welten.

Lanier war seinerseits bereits in die Realität der Unbedeutsamkeit entschwunden, bis er vor einigen Jahren fast saulusgleich die Bühne wieder betrat, um fortan als digitaler Paulus, doch leider bloß vordergründig kritisch, in Frage zu stellen, was er und seine Zeitgenossen einst predigten: naiven Fortschrittsglauben. Auf offene Ohren und Unterstützung stieß er damit bei jenen, die das Digitale nun für Teufelszeug hielten – vor allem, weil sie ihre Interessen bedroht sahen. So wie, das sei angemerkt, der Buchhandel, der die Digitalisierung komplett verschlief. Nicht nur dort erfreute, was Lanier äußerte: Dass Wikipedia nicht perfekt ist. Dass internationale Firmen mächtig sind und Macht gefährlich sein kann. Dass das Netz auch missbraucht werden kann. Laniers Kritik ist oft so banal, dass sie in Pixibüchern bestens aufgehoben wäre.

Doch Lanier ist Protagonist eben jener Generation, die der Menschheit den digitalen Segen versprochen hat, ohne ihn rechtzeitig und gewissenhaft zu hinterfragen und Fehlentwicklungen zu korrigieren, als es noch einfach gewesen wäre. Nichts zeigt dies so deutlich wie der Jahrestag der ersten Veröffentlichung der Snowden-Dokumente. Dass auf den Spähskandal bis heute politisch wie gesellschaftlich kaum befriedigende Antworten gefunden wurden, liegt nicht nur, aber auch an Menschen wie Lanier. Einen wie ihn mit dem Friedenspreis des Buchhandels zu ehren, dürfte ähnlich klug sein, wie Barack Obama den Friedensnobelpreis zu verleihen.

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