Ist das noch niedlich, was da an Kuddelmuddel rund um „Deutschland entdeckt Clubhouse“ stattfindet? Ist das schon gefährlich? Oder doch nur etwas Banane? Oder sind einfach nur alle von den Pandemienebenwirkungen etwas vernebelt?
Eine Woche ist es jetzt her, dass eine Audioapp in Deutschland so richtig abhob. In einer etwas eigentümlichen Mischung: aus Leuten, die Trommeln für andere rühren, Leuten, die auch sonst schon viel Gehör finden und Leuten, die diesen Leuten auch mal nahe sein wollen. So redet ein kleiner Teil der Republik nun in das Internet hinein. Als ob der CB-Funk sich digitalisiert habe.
Absehbar war: nichts an dieser Plattform ist privat. Clubhouse ist keine Privatwohnung. Nicht einmal ein Hinterzimmer oder eine Hintergrundrunde. Das tut ihrer Funktionalität keinerlei Abbruch, aber bleibt wichtig zu verstehen. Vielleicht wirkt es aufgrund der Klarnamenspflicht und der angedrohten harten Sanktionierungen, inklusive der Bürgenhaftung, auf einige doch vertraulicher als es tatsächlich ist. Vielleicht gerade in Zeiten, in denen die ganz normale Form von Nähe fehlt. Wieder andere glauben, dass da doch irgendwo etwas in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen steht (ja, da steht was, irgendwas zwischen Unter 2 und Unter 3, was aber niemand überwacht oder durchsetzt und somit toter Text ist). Aber im Kern ist das Produkt für diese Zeiten, in denen alle unter Zoom-Fatigue leiden und auch am Feierabend gerne etwas rumkumpeln wollen, ganz gut geeignet – solange ein paar Grundregeln eingehalten werden.
Es darf niemanden überraschen, dass es Journalisten gibt, die auf der Plattform mehr wollen als nur mal rumalbern. Die zuhören und mitschreiben. Leider ist das, was sich ihnen da bietet, nicht gerade sensationell. Sensationell daran ist es nur, wenn es mit einem Buzzword, und das ist Clubhouse gerade, verbunden wird. Überraschung: In der Ministerpäsidentenkonferenz wird es auch mal langatmig, Diskussionen drehen sich im Kreis und Bodo Ramelow spielt dann CandyCrush! Krass investigativ schreibt ein Mitarbeiter der Welt dann darüber. Wahnsinn. Wer es schon vergessen hat: Wolfgang Schäuble löste früher im Bundestag gerne Sudokus. Worüber sich andere empörten, worüber sich sodann Die Welt wiederum empörte. Aber das war halt nicht auf Clubhouse. Und ist natürlich schon acht Jahre her.
Dennoch gibt es Punkte, die am dortigen Miteinander wirklich irritieren können. Denn so wirkt es ein bisschen: öffentliches Gruppenkuscheln, das Rumgeflausche, das manchmal auch auf Twitter schon irritiert. Hier droht tatsächlich etwas zu verrutschen. Es ist vollkommen normal, dass Politiker, Journalisten, Ministeriale, younameit miteinander viel zu tun haben. Dass dabei teils Freundschaften entstehen oder gar noch älter sind. Aus meinem Studienumfeld ist ein gar nicht kleiner Teil heute „wichtig“. Selbst die eine oder andere Eheschließung über Berufs- und Rollengrenzen hinweg ist kein wirkliches Geheimnis.
Es kommt also darauf an, sich seiner Rolle bewusst zu bleiben und professionelle Distanz zu wahren. Das gilt gerade und besonders für Journalisten. Rollenkonflikte und Freundschaften existieren und mit ihnen umzugehen ist regelmäßig in der Praxis eine Herausforderung.
(Als Exkurs sei erwähnt, dass ausgerechnet wieder Die Welt das Blatt ist, das hierbei meiner Meinung nach am Unsaubersten arbeitet, wenn zum Beispiel die für die Welt schreibende Ex-SPD-Politikerin und Ehefrau des einstigen Wehrbeauftragten persönliche und sachliche Ebene dort fröhlich miteinander verquicken darf. Oder wenn die damalige Ehefrau von Christian Lindner und Welt-Mitarbeiterin dort Stylingtipps für ihren Ehemann veröffentlicht.)
Was ich damit für Clubhouse und andere Social Media-Formate sagen will? Dies ist kein Wohnzimmersofaplausch. Dies ist keine Hintergrundrunde. Clubhouse ist öffentlich. Das bedeutet nicht, dass man sich dort bierernst benehmen müsse. Der immer noch sehr verbreitete Stock im Hintern tut Politik insgesamt nicht gut. So ist die Gesellschaft nicht. Und auch Journalisten tun gut daran sich in diesen Formaten nicht konservativer als der Papst aufzuführen. Aber öffentliches Rumkumpeln? Das ist dabei nicht geboten – nicht für Journalisten und nicht für Politiker.